Es fing vor rund 6 Jahren mit dem OS X Tiger und einem iMac an. Doch nach 2 Leoparden und zuletzt einem blassen Löwen kehrte ich OS X den Rücken und kaufte mir einen Windows-PC. Warum es so weit kam und ob ich bloß genug von all den Raubkatzen hatte.
Kaum zu leugnen, dass ein gewisses Prestigedenken und eine zumindest subtile Betonung des eigenen Andersseins im Spiel ist, wenn man sich einen Mac kauft, getreu Apples altem Motto “Think different”. So war das damals auch bei mir und meinem iMac: ich wollte einfach einen leisen, gut ausgestatteten und nicht zuletzt schönen und besonderen Rechner. Apple fuhr auf der Straße des Erfolgs, jedes Produkt war ein Highlight. Jetzt, gut sechs Jahre später, gehe ich den umgekehrten Weg, zurück zum PC und zu Windows.
Einer der Gründe für meine Abkehr: ich glaube nicht mehr an Apples Überlegenheitsanspruch bei Produktstrategie, Einfachheit und Qualität. Die letzten Ankündigungen waren allesamt blutleer, man könnte sogar schon ein Fünkchen Panik vor der immer besser werdenden Konkurrenz wittern. Apple zehrt vom Ruhm vergangener Tage. Immerhin hat das Unternehmen ein bedienbares Unix-Betriebssystem entwickelt, dem Smartphone zum Durchbruch verholfen, Tablets zu einem Milliardengeschäft gemacht und jahrelang die technologisch oft fortschrittlichere Konkurrenz trotzdem souverän vor sich hergetrieben mit einfachen, aber genialen Ideen wie dem App Store oder der narrensicheren Backup-Lösung Time Machine.
Doch jetzt scheint Apples Zenit überschritten zu sein, Innovationen bleiben schon schon länger aus, und bald wird es nur noch ein Elektronikhersteller im Premium-Preissegment sein, vielleicht mit einer großen Anhängerschar, aber eben nur einer von vielen. Noch kauft die (digitale) Avantgarde Macs, doch vielleicht ist die Entscheidung, die ich kürzlich traf, wie ein geschätzer Twitterer neulich meinte, eben noch avantgardistischer, weil sie einen Trend vorwegnimmt: Apple ist nicht mehr cool!
Mit immer kürzeren Aktualisierungszyklen sollen die Apple-Produkte spannend bleiben, doch genau das Gegenteil passiert: Sensationen liefern künftig eher andere. Die Bestandskunden hingegen werden verprellt und können sich nicht sicher sein, das bestmögliche Produkt erworben zu haben, wenn schon wenige Monate später ihr vormals “perfektes” Apple-Gerät deutlich nachgebessert auf den Markt kommt.
Das Objekt der Begierde
Konkret ging es in meinem Fall zum Jahreswechsel um ein neues Notebook. Ein leichtes, flaches mit schneller SSD, 8 GB Arbeitsspeicher und ohne optisches Laufwerk sollte es sein. So etwas ist bei der PC-Fraktion als Ultrabook bekannt und Apple-Freunde nennen es ein MacBook Air. Den Schönheitswettbewerb gewinnt das mattsilbere Apple-Produkt, obwohl die Ultrabooks von Lenovo und Samsung stark aufgeholt (Spötter würden sagen: kopiert, siehe Bild) haben. Doch ist der heftige Preisunterschied (1300 vs. 900 Euro, also fast die Hälfte weniger) bei vergleichbarer Austattung gerechtfertigt? Kann ein Mac um so viel besser sein?
Die Hardware
Ein MacBook Air hat zu meinem großen Missfallen einen spiegelnden Bildschirm, nur einen USB3.0-Anschluss, keinen Netzwerkanschluss und einen Thunderbolt-Slot, mit dem man noch nicht besonders viel anfangen kann. Zugute halten muss man die beleuchtete Tastatur, denn das hat sein Sparringspartner, ein Samsung-Ultrabook der Serie 5, nicht. Dafür bringt es die bei Vielschreibern wie mir beliebte Entf-Taste rechts oben mit. Ansonsten bietet das Ultrabook deutlich mehr Konnektivität, u.a eine nette ausklappbare Netzwerkbuchse, einen matten Bildschirm (ja, das ist viel besser!) und eine ganze Armada von typischen Intel/Windows/ComputerBlöd-Aufklebern links und rechts neben dem Trackpad, die sich aber zum Glück gut ablösen lassen.
Die Software
Über OS X mag ich nicht viel meckern: es hat immer getan, was es sollte, sah schick aus und hat mich nicht über Gebühr mit Updates genervt. Ein nahezu perfektes und vor allem benutzerfreundliches System, wären da nicht der viel zu minimalistisch geratene Finder als Dateimanager und die “fliegende Fenster”-Politik einiger Anwendungen wie z.B. Photoshop, bei der man schnell den Durchblick verliert und auf Krücken wie Mission Control zurückgreifen muss.
Im Gegensatz dazu ist Windows 7 zunächst einmal eine einzige Update-Orgie, unverständlicherweise trotz hohem Speicherplatzverbrauch relativ nackt (noch nicht einmal ein PDF-Betrachter ist an Bord) und man muss (verglichen zu einem Mac) zunächst viel selbst erledigen, um ein nutzbares System zu erhalten, von vorinstallierter Crapware, fehlenden Druckertreibern, Partitionierungsproblemen und einem guten Mailprogramm ganz zu schweigen …
All diese typischen Windows-Zipperlein sind aber auch professionellen Mac-Nutzern nicht fremd, denn auch diese kommen nur selten komplett ohne Windows aus. Kaum einer, der nicht doch wenigstens eine virtuelle Maschine betreibt, die Windows-only-Programme beherbergt. Man pflegt auf dem Mac also zwei Systeme. Und ganz nebenbei: die MS-Office-Ausgabe für OS X ist fürchterlich, und damit meine ich noch nicht einmal die grottige Performance.
Da könnte man meinen, Windows 8 würde all diese Probleme lösen. Doch dazu nur soviel: Wäre mein Ultrabook wie vom Händler zunächst angedroht mit Windows 8 geliefert worden, das selbst langjährige Windows-Nutzer wieder zum herumstochernden Trottel degradiert, wäre meine Entscheidung ganz anders ausgefallen, überteuerter Preis und sinkender Apple-Stern hin oder her.
Das Gesamterlebnis
Bedingt durch meine berufliche Prägung der letzten Jahre ist für mich Windows = Arbeit und Mac = Freizeit. Obwohl gerne genutzt, habe ich am Mac nie so richtig zum produktiven Arbeiten gefunden. Da bei mir aber in nächster Zeit einiges zu tun ist, sollte mir eine bessere Arbeitsatmosphäre ganz recht sein. Windows 7 ist zwar recht nett anzuschauen, aber kein Vergleich zu einem gestalteten OS X; gleiches gilt übrigens auch für die Hardware. Aber was nutzt das schönste Gehäuse, wenn der Bildschirm im Sonnenlicht spiegelt wie eine Billigkiste von Aldi?
Beim ständigen Wechseln zwischen der beruflichen Windows-Welt und dem privaten Mac ärgerte ich mich immer Apples Sonderweg, nicht nur (aber eben auch) beim Tastaturlayout. Dass ausgerechnet Alt Gr + Q unter Mac OS X das aktuelle Fenster schließt, obwohl der Windows-Gewöhnte doch nur ein @ schreiben wollte, ist nur die ersten 10 Male witzig. Im Alltag muss man ständig umdenken, ob jetzt Strg oder die “Apfel”-Taste z.B. für Cut/Copy/Paste gedrückt werden muss. Und so leicht es einem Apple macht, zu OS X zu wechseln, umso schwerer macht es einem den Umzug von dort weg. Doch das hatte ich mir ja so ausgesucht und war auch Teil meiner Entscheidung.
Fazit
Mein Abschied vom Mac ist vermutlich nicht endgültig, ich lasse mich gerne von echtem Fortschritt überzeugen, falls er wieder von Apple kommen sollte. Was für OS X gilt, muss nicht für iOS gelten. Doch mit recht hoher Sicherheit wird mein nächstes Mobilgerät eines mit Android, allein schon der Neugier wegen. Letztenendes ist die Plattformfrage aber eine Geschmacksfrage und eine Frage der Haltung, die ich diesmal eben nicht nur pragmatisch beantwortet habe.
Update: Bitte auch den Folgeartikel beachten: “Vom Mac zum Windows-PC: die Kehrseite der Medaille”
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